von Prof. Armin Dietmar Rogall
Nachhaltiges Handeln ist nicht nur bei der Energieversorgung, sondern auch im Bausektor gefragt. Rund 40 Prozent der Treibhausgase resultieren aus der Gebäudeherstellung und -nutzung. In den Industrienationen wird wiederum ca. 40 Prozent der Gesamtenergie für den Betrieb der Gebäude verbraucht. Zukünftig muss ein Gebäude ganzheitlich auf Nachhaltigkeit bewertet werden.
Hierbei muss eine Lebenszyklus-Betrachtung (Abb. 1) von der Rohstoffgewinnung über die Produktion von Materialien bis hin zum Bau, Betreiben, Umbau und Rückbau von Gebäuden durchgeführt werden. Nach dem Brundtlandbericht der Umweltkommission für Umwelt und Entwicklung definiert sich Nachhaltigkeit wie folgt: "Eine Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen." Diese Aussage wird leider häufig dazu verwendet fast jedes Handeln zu rechtfertigen. Die Definition hat daher an Wert verloren. Wenn sie aber richtig angewendet wird, stellt sie eine gute Bezugsgröße dar. Im Hinblick auf den Bausektor bedeutet dies, dass wir extrem vorsichtig sein sollten, knappe und nicht erneuerbare Ressourcen, wie z. B. das Erdöl zu nutzen. Das Erdöl ist zu wertvoll, um es nur zu verbrennen. Die Möglichkeit eines vollständigen Energiewechsels zeigt das theoretische Potential der jährlichen Sonneneinstrahlung auf der Erde im Vergleich zum weltweit jährlichen Energieverbrauch sowie den fossilen und atomaren Rohstoffreserven (Abb. 2).
Bewertungssysteme zur Nachhaltigkeit Alles was wir tun, sollte lange haltbar, wieder verwendbar oder recycelbar sein, also auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung überprüft werden. Hierzu wurden in den letzten Jahren verschiedene Bewertungssysteme und Umweltzertifikate zur Nachhaltigkeit entwickelt, die nicht nur die graue Energie zur Herstellung und zum Betrieb von Gebäuden berücksichtigt, sondern auch den Wasserverbrauch, die Umweltbelastung der Erde, der Meere und der Atmosphäre. Bei der Auswahl von Baumaterialien und -produkten werden Architekten, Planer und Kunden zunehmend mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert. Es herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, was ökologisch sinnvoll ist und wie zukunftsweisende Gebäude überhaupt aussehen? Sind dies hochintelligente mit Hightech-Materialien und einer regenerativen Energieversorgung gebaute Hüllen oder doch mehr mit Strohballen und Lehm gebaute Passivhäuser mit Zwangslüftung und Wärmerückgewinnung? Diese Breite des Betrachtungsspektrums findet sich auch bei der nachhaltigen Bewertung von Gebäuden durch unterschiedliche Tools und Methoden wieder. Es gibt einige nationale Programme wie beispielsweise Ecoquantum (Niederlande), LEGEP (Deutschland), das US LEED System und das britische BREEAM System. Allen Bewertungssystemen von Gebäuden gleichermaßen stellt sich die schwierige Aufgabe, verschiedenen Bauweisen und Konstruktionen mit den unterschiedlichen Ver- und Entsorgungssystemen und den zur Verfügung stehenden Baumaterialien ganzheitlich zu bewerten. Schon die Vergleiche zwischen Produkten und Materialien mit ihren unterschiedlichen Herstellungsprozessen vom Rohstoff über die Gewinnung, Veredelung, Umwandlung und deren Einbau und Nutzung mit ihren notwendigen Rahmenbedingungen stellt die Analysten vor eine große Herausforderung. Für die Bewertung der Umwelt-Performance von Bauprodukten gibt es zwei wichtige Tools, die verwendet werden - Umweltprodukterklärungen (EPDs) und Ökobilanzen (LCAs).
Um Bauprodukte und Materialien bewerten zu können müssen ihre Eigenschaften ökologisch bewertet werden. Dabei spielt die Langlebigkeit, die Verfügbarkeit des Rohstoffs, die sogenannte graue Energie und der Wasserverbrauch beim Herstellungsprozess ebenso eine Rolle, wie die Transportenergie, die Einbau- und Montageenergie sowie der Aufwand bei Nutzung und Wartung, aber auch deren Wiederverwendbarkeit und Recycling im Lebenszyklus. Auch die Ökonomie soll bei der Betrachtung des Lebenszyklus eines Gebäudes beachtet werden. Spätestens hier wird die schwierige Aufgabe, verlässliche, für alle Gebäude gleichermaßen geltende Richtwerte zu erarbeiten, deutlich erkennbar. Es gibt Materialien, die alternativlos zur Anwendung kommen müssen, neben denen, die durch umweltfreundlichere ersetzt werden können und solchen, die aus rein ästhetischen Gesichtspunkten oder Marketinggründen benutzt werden. Das beste System sind aber verantwortungsvolle Bauherrn, die aus Verantwortung vor den nächsten Generationen, sich auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit beraten lassen und bereit sind auch in die Zukunft zu investieren.
LongerLife-Produkte stärker gewichten
Stahl ist ein bedeutender, notwendiger Werkstoff des Bauens in der modernen Architektur. Obwohl Stahl in einigen Bereichen durch andere Materialien wie Beton, Holz oder Kunststoff ersetzt werden kann, bleibt Stahl, dank seiner guten Eigenschaften ein wichtiger Bestandteil des modernen Bauens. Stahl wird zu 90 Prozent recycelt und immer wieder verwendet und kann deshalb als nachhaltig bezeichnet werden. Stahl hat jedoch einen Nachteil, er rostet und muss daher entweder durch Beschichtungen, Legierungen (z.B. als rostfreier Stahl) oder durch Feuerverzinken vor Korrosion geschützt werden. Betrachtet man Beschichtungen und Feuerverzinken als reines Material oder Bauprodukt, so könnte man behaupten, dass diese Stoffe nicht nachhaltig sind, weil sie die Umwelt belasten und für das Gebäude primär nicht lebensnotwendig sind. So werden in den meisten Bewertungssystemen diese Baustoffe recht unterschiedlich bewertet. Zukünftig müssen solche Baustoffe, die andere Materialien in ihrer Nachhaltigkeit verbessern, viel stärker gewichtet werden. Bauprodukte wie Lacke und Farben, Beschichtungsstoffe sowie das Feuerverzinken, die andere Baumaterialien dauerhafter machen, zählen zu den sogenannten LL-Produkten (LongerLife-Produkte), die anderen Materialien ein längeres Leben schenken. Vergleicht man Aufwand und Nutzen, so kann man diese LL-Produkte als Bonus der Trägermaterialien bezeichnen. Lebenszyklus verlängernde LL-Produkte können die Ökobilanz eines Gebäudes erheblich verbessern, vorausgesetzt, auch deren Herstellung ist im Zusammenhang mit den positiven Eigenschaften gerechtfertigt. Solange wir für Gebäude und die Infrastruktur Stahl verwenden, muss er zur Erreichung eines längeren Lebens geschützt werden. Das Feuerverzinken kann als „Nachhaltiger Akt“ bezeichnet werden und ist ein Korrosionsschutzprozess, bei dem Stahl mit Zink überzogen wird. Durch die metallurgische Reaktion zwischen Eisen und Zink kommt es zu einer Legierungsbildung, die eine hochbelastbare und dauerhafte Verbindung darstellt. Zwischen dem Stahl und dem Zink gibt es keine klaren Grenzen, sondern einen stufenweisen Übergang durch eine Reihe von Legierungsschichten, die die metallurgische Verbindung dauerhaft herstellen (Abb. 3).
Die Langlebigkeit von Stahlkonstruktionen im Hochbau, aber insbesondere im Infrastruktur- und Tiefbau ist von Umwelt spezifischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung für die Gesellschaft. Die Lebensdauer und Haltbarkeit von Stahl wird durch das Feuerverzinken mit typischen Schichtdicken von nur 45 µm bis zu 200 µm in hohem Maße verbessert. In der Atmosphäre in Europa beträgt die Zinkabbaurate durchschnittlich etwa 1 µm pro Jahr. Die metallische Zinkoberfläche reagiert mit der Atmosphäre und bildet kompakte, fest haftende, in Regenwasser nicht lösliche Deckschichten.
Diese Eisen-Zink-Legierungsschichten sind sehr langlebig und ideal für Außenbereiche auch in aggressiven Umgebungen aufgrund ihrer hohen Altersbeständigkeit. Dabei stoppt das Feuerverzinken die Korrosion auf zweierlei Wegen, durch eine physische Barriere und durch einen elektrochemischen Schutz. Diese Schutzschicht stellt eine kontinuierliche, undurchlässige, metallische Barriere dar, die verhindert, dass Feuchtigkeit und Sauerstoff auf den Stahl treffen. Das Zink fungiert hier als Opfermetall, was bedeutet, dass sich bei einem beschädigten, verzinkten Bauteil an der Beschädigungsstelle das Zink opfert und den Stahl weiterhin vor Korrosion schützt.
Zink ist ein auf der Erde natürlich vorkommendes Mineral. Für alle lebenden Organismen auf der Erde ist Zink ein lebenswichtiges Element. Es spielt im menschlichen Stoffwechsel eine essentielle Rolle. Zink ist für das Funktionieren von mehr als 200 Enzymen erforderlich und es stabilisiert unsere DNS. Auch zur Zellerneuerung wird Zink benötigt und ist besonders während der Schwangerschaft für den heranwachsenden Fötus wichtig. Ist die natürliche Zinkaufnahme zu niedrig treten Mangelerscheinungen auf. Obwohl Zink als ein lebensnotwendiges Element Teil unserer Erdkruste ist und in unserer Umwelt auch in der Luft, im Wasser und in der Biosphäre von Pflanzen, Tieren und Menschen vorhanden ist, ist es wichtig hohe Konzentrationen in der Umwelt zu vermeiden. Durch modernste Herstellungstechnik und Umwelt schonende Prozesse sind in den letzten Jahrzehnten die industriellen Zinkemissionen kontinuierlich zurückgegangen und belasten, dank der regional gut verteilten Werke, die Umwelt nur gering oder ergänzen sogar den Zinkmangel auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die regionale Verfügbarkeit schafft kurze Wege von der Verzinkerei zu der Baustelle und trägt somit bei der mit bilanzierten Transportenergie zur Nachhaltigkeit zumindest in Europa bei.
Der Korrosionsschutz durch Feuerverzinken kann durch seine Langlebigkeit, durch die Umwelt schonende Herstellung, aber auch durch die zu 98-prozentige Recyclingfähigkeit und besonders durch die Lebensverlängerung von Stahlbaustoffen als nachhaltig bezeichnet werden. Besonders die damit einhergehende Senkung der Instandsetzungszyklen und Nutzungskosten bei einer relativ geringfügig höheren Anfangsinvestition macht das Feuerverzinken zu einem nachhaltigen System. Das heißt nicht, dass die Architektur zukünftig nur noch zinkgrau sein muss, denn wenn die Zinkschicht farbig beschichtet wird, verzögert sich auch der Zinkabtrag durch die Atmosphäre. Stahlbauteile die nach diesem System „Verzinkung und Farbbeschichtung“ behandelt sind, haben eine Lebensdauer von über 80 Jahren und sind sozusagen wartungsfrei. Feuerverzinkte Bauteile einbauen heißt nachhaltig handeln und dies erhält die Handlungsfähigkeit zukünftiger Generationen.
Der Autor
Prof. Dipl.-Ing. Arch. Armin Dietmar Rogall lehrt an der Fachhochschule Dortmund im Fachbereich Architektur und ist Experte für umweltgerechtes Bauen sowie energieeffiziente Heizungs- und
Klimatechnik. Er forscht auf dem Gebiet nachhaltiger Materialsysteme und arbeitet im Koordinierungsausschuss "Energieeinsparung und Wärmeschutz" der Bundesregierung mit.
Abbildungen:
Abb.1: Lebenszyklus von Gebäuden
Abb.2: Sonneneinstrahlung , Rohstoffe und Energieverbrauch
Abb.3: Schematischer Aufbau von feuerverzinktem Stahl
Abb.4: Der Korrosionsschutz durch Feuerverzinken ist nachhaltig
Abb.5: Der Autor: Professor Armin Dietmar Rogall
Backgrounder:
Der Industrieverband Feuerverzinken e.V. und seine Serviceorganisation, das Institut Feuerverzinken GmbH, vertreten die deutsche Stückverzinkungsindustrie. Die Mitglieder des Industrieverbandes Feuerverzinken repräsentieren rund 70 Prozent des deutschen Stückverzinkungsmarktes. Wichtige Anwendungsbereiche des Korrosionsschutzes durch Feuerverzinken sind u. a. Architektur und Bauwesen sowie die Verkehrstechnik und der Fahrzeugbau. Weitere Informationen zum Feuerverzinken unter: www.feuerverzinken.com.